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Lily Magdalena #ProjektArbeitstitel

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Lily Magdalena #ProjektArbeitstitel

Halloween! Passend dazu habe ich heute Lily Magdalena bei #ProjektArbeitstitel im Interview, die euch von ihrem düsteren November Projekt erzählt…

Hi, ich bin Lily, dunkelbunte, rotgelockte Herbstseele, die sich auch mal in einzelne Worte verliebt und sich ihnen dann verschreibt mit allem, was sie hat.

Seit ich sprechen kann, habe ich mir fantastische Geschichten ausgedacht und sie jedem erzählt, der sie hören wollte. Mit fünf Jahren habe ich mir aus lauter Neugier („Papi, was steht da?“) selbst das Lesen und Schreiben beigebracht und seitdem bringe ich meine Geschichten auf Papier.

Das klingt so schön geradlinig, war es jedoch nicht. Verschlungene Pfade mit Dornen, die an den Hosenbeinen reißen, und Wurzelballen, über die man stolpert, und dann manchmal einfach gerne liegenbleiben würde. Sprechen wir nicht darüber …

… sprechen wir lieber über das Jetzt.

 

Novemberprojekt und andere Projekte

 

Welche Projekte sind gerade in Arbeit? Erzähl uns doch ein bisschen davon!
Diese Geschichte, von der ich auf meinen Kanälen unter dem Hashtag #Novemberprojekt erzähle, begleitet mich schon seit November 2013, seit der ersten Begegnung mit jenem Wort, das zum Titel des Romans wurde. Erst vier Jahre später, am 1. November 2017 um Mitternacht, Startschuss zum NaNoWriMo, begann ich jedoch, tatsächlich am Roman zu schreiben – und setzte das Wort “Ende” am 31. Mai 2019 unter das Manuskript, das dreimal so lang wie ein NaNo-Roman geworden ist …

In einer sehr frühen Version der Idee einmal als Fairytale-Retelling zwischen “Die Schöne und das Biest” und “Rotkäppchen” angedacht, hat die Geschichte ein paar wenige Elemente daraus behalten, ist jedoch etwas ganz Eigenes geworden. Ich selbst bezeichne den Roman als Gothic Novel, auch wenn es dafür kein Regal im Buchladen gibt. Dort stünde er schlicht und einfach bei “Fantasy”.

Weitere wichtige Elemente der Geschichte: ein gutmütiges Baumwesen und seine Liebe zu Pflanzen. Untote Singvögel. Worte und ihre Heimtücke. Der Mond. Ein Antagonist, dunkel und sanft wie der personifizierte November. Die Frage nach der eigenen Verantwortung. Und die Frage, wo die Grenze liegt zwischen Sehnsucht und Obsession.

Wie schauen die Pläne für dein Projekt aus?
Ich tendiere mit dem Novemberprojekt stark zum Selfpublishing. Voraussichtlich werde ich mich nach der zweiten, intensiveren Überarbeitungsrunde mit darauffolgender Betaleserunde entweder endgültig darauf festlegen und für 2020 die nächsten Schritte konkretisieren – oder diesen Plan doch noch einmal umwerfen und mit meinem Exposé auf Verlagssuche gehen. Aktuell ist es nur eine Tendenz – und ich noch offen für überraschende Wendungen und Plot-Twists.

Magst du uns verraten, was für Ideen evtl. noch in der Schublade schlummern?
Ich kann mir aktuell nicht vorstellen, mein Novemberprojekt loszulassen und mich mit derselben Hingabe in ein anderes zu vertiefen. Aber gleichzeitig weiß ich: Eines Tages wird eine der Ideen, die vor allem in Form von geheimen Pinterest-Pinnwänden auf mich warten, lautstark Aufmerksamkeit einfordern.* Die Geschichte wird verlangen, erzählt zu werden.

Am lautesten ist bereits jetzt ein Spin-off zum Novemberprojekt, eine der dortigen Nebenfiguren in der Hauptrolle, die in den Siebziger Jahren (oder vielleicht auch 1969? I mean: WOODSTOCK?!) auf einer Weltreise das Magiesystem des Novemberprojekts auslotet.
Bzw. war am lautesten, eigentlich, war fast schon gesetzt als nächstes Romanprojekt.

(*Und genau da geschah es. An dem Tag, als ich dieses Interview abschicken wollte, das schon lange fertiggeschrieben war, zog die zweite Idee gleichauf:)

Ob diese nun in Steampunk, Clockpunk, Gaslichtromantik oder gar Teslapunk angesiedelt ist, werde ich noch herausfinden. Bislang gab es hier nur vier Charaktere, die sich mir alle immerhin mit Namen vorgestellt haben, in einem groben Setting. Ähnlich wie beim Novemberprojekt gab es dann jedoch die Begegnung mit einem einzelnen Wort, seinem Klang und allen Bildern und Eindrücken, die es mitbrachte. Dieses Mal war es jedoch nicht wie ein Vogel, der sich sacht auf einem Zweig absetzt, es überrollte mich wie ein Zug, dieses Wort. Und plötzlich liegt es glasklar vor mir: Füge deine zweite große Leidenschaft hinzu, make it weird. Make it aerial!

Und dann gibt es da ja noch den High-Fantasy-Roman mit der Protagonistin, die sich weigert, dem Genre-typischen Ruf nachzukommen, die Welt zu retten. (Nicht, dass es ihn nicht gäbe. Sie will nur nicht.) Lieber brennt sie mit einer Spielmannstruppe durch und verliert sich in Musik, Alkohol und Ausschweifungen. Es ist mein ältestes Projekt, begonnen in meinen Teenagerjahren, noch einmal neu begonnen mit Mitte zwanzig, aktuell bei etwas über 100k. Seit ein paar Jahren liegt es geduldig auf seinem Eisbett und wartet auf meine Entscheidung. Weiterschreiben (ein drittes Mal neu) oder ruhen lassen? Schulde ich es mir selbst, es eines Tages zu beenden?

 

Schreiballtag

 

Was ist deine größte Herausforderung im Schreibprozess?

Neben den üblichen Verdächtigen wie uninspirierte Zeiten, in denen gar nichts läuft, offene Plot-Fragen, an denen ich mich festbeiße, und Plot-Holes, über und in die ich im Schreibprozess stolpere: für mich persönlich tatsächlich, einmal gefundene Schreib-Routinen nach außen – und viel wichtiger noch: nach innen – zu verteidigen. Wie oft habe ich mir das Wochenende mit anderen Dingen zugeplant und mich dann geärgert: “Verdammt, ich wollte doch schreiben!”

Lily, memo to yourself, for next time: “Vorhaben zu schreiben” ist n i c h t “nichts vorhaben”!

Hast du eine Schreibroutine?
Seit September letzten Jahres arbeite ich in Teilzeit, das heißt, ich habe zusätzlich zum Wochenende anderthalb Tage die Woche komplett frei zum Schreiben. Vor allem den freien Montag habe ich während des Schreibprozesses am Novemberprojekt voll ausgekostet, da ich leider nicht sonderlich gut darin bin, kleine Gelegenheiten zum Schreiben “mal zwischendurch” zu ergreifen. Sobald es sich anfühlt wie zwischen Tür und Angel, geht es nicht mehr (außer hin und wieder in der Mittagspause). Ich zelebriere meine Rituale zu gerne.

Am freien Montag besonders. Zum Beispiel die immer gleiche Musik auf den Ohren oder am Fernsehbildschirm (ich sage nur: Konzert-DVD) und dazu ein zur Tageszeit passendes Getränk.

An Brotjob-Tagen bestand mein Ritual daraus, mich abends ins Schlafzimmer zurückzuziehen, wo ich meistens nicht vor zehn Uhr in den Schreibfluss hineinkam, Kopfhörer auf den Ohren und das Handy für ausgiebigste Sprachnachrichten-Sessions mit Jessi in Reichweite.

Eine Weile habe ich mich an #Team6am versucht und ein paar Worte morgens vor der Arbeit getippt, vor allem im NaNo, aber das hat sich nicht auf Dauer etabliert.

Was mir sehr geholfen hat und was ich gleichzeitig auch sehr mochte: meine Schreibfortschritte mit dem Kalender von Marie Graßhoff zu tracken. Ich habe eine Schwäche für Zahlenspielereien.

Eine Gemeinsamkeit gibt es für alles: der Laptop auf dem Schoß, ob auf dem Sofa oder im Bett. Selten bis nie am Schreibtisch. Das ist jetzt, in der Phase nach dem Rohmanuskript, für Überarbeitung und Orga-Kram definitiv anders. Ein Hoch auf das Arbeiten mit zwei Bildschirmen!

Welchen Tipp würdest du deinem Vergangenheits-Ich geben, das gerade mit dem Schreiben anfängt?
Erlaube dir zu brennen.

Und weil ich weiß, dass Vergangenheits-Lily mit dieser Metapher noch unverhältnismäßig lange nichts wird anfangen können, einmal übersetzt:

Du bist richtig so, wie du bist. Das, was da in dir schlummert, ist richtig. Lass dich nicht unter Druck setzen, du solltest etwas anderes tun, “mal was Richtiges” schreiben oder zeichnen, anders sein. Lass dir von niemandem einreden, du solltest etwas anderes mögen. Oder wenigstens nicht so sehr. Wenn du etwas liebst, gehst du all in und das ist nicht nur okay, das ist verdammt gut so. Das bist du.

Außerdem hast du ein richtig gutes Bauchgefühl und eine innere Stimme, der es sich lohnt zuzuhören. Es wird sich lohnen, dich von deiner Intuition leiten zu lassen, viel mehr als von allem anderen.

 

Motivation

 

Hast du Vorbilder bzw. Menschen, die dich inspirieren und motivieren?
Es gibt da einen Künstler, der meine Seele nun schon über zwölf Jahre lang mit Inspiration flutet, Muse aus Versehen. Asp Spreng. Mit meinen Worten in jemand anderem das auslösen, was er mit seinen in mir auslöst, und ich hätte alles erreicht.

Meine Buchbubble. So viele wundervolle Menschen, die mich beflügeln und deren Kreativität und Leidenschaft mein Leben und Schreiben bereichert.

Ich kann hier nur ein paar wenige nennen, in unbestimmter Reihenfolge. Jenny Wood, weil sie vor Ideen geradezu sprudelt – und weil ich sie wohl schon am längsten aus der Bubble kenne. Marie Graßhoff, weil ihr Weg vom Vollzeit-Agenturjob hin zu Vollzeit-Selbstständigkeit und -Autorenleben einfach GOALS für mich ist. Ena & Kira alias Era, weil ich mich gerne von dieser manischen Energie mitreißen lasse. Jasmin Zipperling, weil ihre liebevolle, leuchtende Art einfach so wohltuend ist. Stephanie Koshka, weil irgendetwas an ihrem fieberherz eine Saite in mir anschlägt.

Jessica Iser. Als Schreibbuddy unsersetzbar und als Freundin noch viel mehr. Eine Nebenfigur, Anwärter für den „Heimliche Lieblingsfigur“-Award, verdanke ich einer eskalativen Beömmelungs-Session mit ihr. Jessi, ohne dich wäre das Novemberprojekt heute ein komplett anderer Roman!

Was sind deine Wünsche und Ziele für die Zukunft?
Wünsche und Ziele und Sehnsuchtsgeschichten …

Letzteres verrät man wohl allerhöchstens Sternschnuppen – oder in meinem Fall einem sehr besonderen Menschen nachts um halb zwei, an die Wand am Rand einer Tanzfläche gelehnt.

Davon abgesehen Ziele, auf die ich hinarbeiten kann – wohl das, was die meisten an der Stelle sagen: weitermachen. Dass mein Debütroman gelesen und gemocht wird und länger in der Welt bleibt als einen untergehenden Versuch einer ersten Auflage lang. Dass mir die Ideen nicht ausgehen. Dass ich weiter Bücher schreiben werde. Sie veröffentlichen. Und irgendwann nur noch das machen! Schriftstellerin sein. Das.

Ein etwas konkreterer, aber vermutlich unerreichbarer Traum: einmal auf dem M’Era Luna lesen! Dafür würde ich sogar meine Festival-Scheu überwinden.

Was war dein schönster Autor*innen-Moment bisher?
Mir schießen mehrere Dinge als Erstes durch den Kopf bei dieser Frage. Beim Tübinger Bücherfest vor ein paar Jahren in der “Poet’s Corner” in der Altstadt eine Kurzgeschichte vor Publikum vorzulesen und ein paar Tage darauf eine Einladung zu einer “richtigen” Lesung in einer Buchhandlung im Posteingang zu finden. Oder die drei Tage Schreib-Klausur Ende Mai, ebenfalls in Tübingen, als ich in einem Kaleidoskop an Gefühlen das Novemberprojekt beendete.

Doch wenn ich innehalte und lausche, dann ist da etwas anderes, viel kleiner und in Wahrheit gleichzeitig viel größer. Jene Momente, in denen ich für meine Geschichten gesehen wurde.

 

Eine kleine Kostprobe…

Die Worte des Fremden hallten stimmlos in mir nach.

Was wollte ich wirklich?

Mein Blick folgte den glühenden Fäden. Die Luft wurde wärmer, ein Gefühl wie Sonnenstrahlen auf der Haut.

Dann eine Kinderstimme: “Schmetterling, du kleines Ding …”

Klein und leuchtend gelb tanzte etwas im Zickzack durch mein Blickfeld. Ein Zitronenfalter. Wann hatte ich zuletzt einen gesehen?

“Ylva!” Die Stimme meiner Großmutter, in der stets ein Lächeln gelegen hatte. “Ylva, komm nach Hause! Es wird dunkel.”

In meiner Magengrube entstand ein heftiges Ziehen. Komm nach Hause … Ich erkannte das Gefühl. Heimweh. Unendliches Heimweh nach einem Zuhause, das es jedes Jahr nur für wenige leuchtende, sorgenfreie Wochen gegeben hatte.

Sommerlicher Duft kitzelte meine Nase und ich streckte die Hände seitlich aus. Die leuchtenden Linien im Dunkel formten sich zu Grashalmen, zu wogenden Stängeln und nickenden Blütenköpfen wie in alten Kinderliedern, die von unten federleicht meine Handflächen streiften.

Der Duft wandelte sich. Ich fühlte mich wohlig geborgen wie in Daunendecken. Unter meinen Händen Papier, das ich nach dem Umblättern glattstrich. Mein Herz schlug schneller vor Abenteuerlust, in Vorfreude auf Ritter in glänzender Rüstung und Drachen, die Berge von Schätzen bewachten.

“Die Blümelein, sie schlafen …” 

Das Lied ließ Tränen auf meinen Wangen prickeln. Ein Heimweh, das nie gestillt werden konnte. Ein Zuhause, das es nicht mehr gab. Ich sah die leuchtenden Linien im Dunkel vor mir wie aus weiter Ferne, durch die Erinnerungen hindurch. Konnte ich doch nur dort bleiben!

Die Fäden verdichteten sich, woben sich ineinander. Eine Hand öffnete sich mir, lud mich ein, mit ihr zu kommen. Eine Hand, wie sie ein Erwachsener einem Kind hinstreckte.

“Komm nach Hause, Ylva.”

Kein Rufen diesmal, nur eine sanfte Aufforderung.

Ich wollte meine Hand nach diesem Erwachsenen ausstrecken, der mich vor der Welt beschützen würde. Der mich in die schlichte Sicherheit heimführen würde, dass alles gut war.

Doch die Frau in mir verdrängte das Kind. Andere Sinnesempfindungen überlagerten die Erinnerungen. Ich schloss die Augen, konnte mich nicht wehren. Weiche Lippen auf meinen, ein Duft nach Sandelholz und ein subtiler Geschmack nach Chili und Ingwer. Das Gefühl einer innigen Umarmung, Haut auf Haut, die Erinnerung an die Nacht mit Luna …

Ich riss die Augen auf und all diese Eindrücke verschwanden auf einen Schlag, die leuchtenden Muster auf dem Boden verblassten.

Ich starrte den Fremden mit dem Zylinder an. Er stand noch immer wenige Meter von mir entfernt, beide Arme zu den Seiten ausgebreitet, den Kopf in den Nacken gelegt. Mit einem tiefen, langsamen Ausatmen führte er die Arme zusammen und schloss die restlichen Linien, die sich vor ihm in der Luft verdichteten, in die hohlen Hände.

Meine nächsten Atemzüge kamen stockend und schmerzhaft nach der Trance. Es war mir willkommen. Ich hätte stärkeren Schmerz in Kauf genommen, wenn er nur die Gefühle überlagern konnte, denen ich mich so hilflos ausgesetzt gesehen hatte.

“Was zur Hölle war das eben?”, spie ich dem Fremden entgegen. Erleichterung übermannte mich, als ich meine eigene Stimme hörte. Eine feste Stimme, eine zornige Stimme. Ich war noch da.

 


Lily Magdalena

Eine Übersicht aller Teilnehmer*innen findet ihr bei #ProjektArbeitstitel – Was ist das?


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Der Beitrag Lily Magdalena #ProjektArbeitstitel erschien zuerst auf BlueSiren.


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